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Der Fall vor Gericht
Vermieter und Mieter stritten über die Entfernung und zukünftige Unterlassung der Installation von insgesamt fünf Überwachungskameras im Mietobjekt. Die Kameras wurden vom Vermieter im Hausflur (gerichtet auf den Hauseingang), im Erdgeschoss (gerichtet auf die Briefkastenanlage), im Flur des Untergeschosses (gerichtet auf die Türen zu den Kellerräumen und zur Waschküche) sowie im Müllraum (gerichtet auf die Mülltonnen und die dahinterliegende Tür nach draußen) angebracht. Am Hauseingang des betroffenen Gebäudes befindet sich ein Hinweis, dass das Objekt videoüberwacht wird. Zudem gibt es ein Informationsblatt am Anschlagbrett des Gebäudes, in dem der Grund für die Videoüberwachung und die maximale Speicherungsdauer der Aufnahmen von bis zu 72 Stunden erläutert wird. Es enthält auch weitere Hinweise zum Datenschutz. Der Mieter fühlte sich in seinem allgemeinen Persönlichkeitsrecht verletzt. Die Kameras wurden installiert, weil unbefugte Personen regelmäßig das Gebäude betreten und im Bereich der Briefkästen Abfall hinterlassen hatten. Es kam auch zu Diebstählen von Post und Paketen sowie zur Ablagerung von Sperrmüll und anderem Unrat im Kellerbereich. Darüber hinaus wurde Müll außerhalb der Müllbehälter abgestellt, was zu Ungezieferbefall und Geruchsbelästigungen im gesamten Gebäude führte. In der Waschküche wurden außerdem die Geldbehälter der Waschmaschinen aufgebrochen. All dies führte zu zahlreichen Beschwerden der Mieter. Der Mieter erhob Klage gegen seinen Vermieter.
Der Mieter hat das Recht auf Unterlassung und Entfernung der Kameras
Mit Erfolg! Nach Auffassung des Gerichts rechtfertigen Verstöße gegen die Hausordnung in Form von unzureichender Mülltrennung oder Nichtbefolgung von Anweisungen nicht die Annahme einer erheblichen Beeinträchtigung, die durch die Installation der Kameras verhindert werden sollte. Obwohl unsachgemäße Müllentsorgung ärgerlich und unangenehm sein kann, rechtfertigt sie keine Installation von Videokameras, da es sich um geringfügige Vergehen handelt, so das Gericht. Zwar können Kameras präventiv wirken, um Straftaten wie Hausfriedensbruch, Diebstahl und Sachbeschädigung zu verhindern. Die bisher begangenen Straftaten hatten nach Auffassung des Gerichts jedoch weder qualitativ noch quantitativ ausreichend Gewicht. Sie waren größtenteils als geringfügig oder unbedeutend zu betrachten und traten nur gelegentlich auf.
Recht auf informationelle Selbstbestimmung des Mieters verletzt
Auch konstatierte das Gericht, dass das Recht auf informationelle Selbstbestimmung, welches das allgemeine Persönlichkeitsrecht umfasst, das Recht beinhalte, selbst zu entscheiden, wann und in welchem Umfang persönliche Informationen offengelegt werden und daher grundsätzlich die Kontrolle über die Preisgabe und Nutzung persönlicher Daten zu haben. Ferner stellte das Gericht klar, dass eine Verletzung dieses Rechts gegeben ist, wenn tatsächlich eine Überwachung stattfindet.
Attrappen von Videokameras verletzen allgemeines Persönlichkeitsrecht der Mieter
Eine Verletzung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts kann jedoch selbst dann vorliegen, wenn Dritte wie Mieter, Besucher oder andere Personen aufgrund konkreter Verdachtsmomente ernsthaft befürchten müssen, dass sie durch Attrappen von Videokameras überwacht werden (sogenannter "Überwachungsdruck", siehe LG Berlin v. 14.8.2018 - 67 S 73/18). Die Befürchtung, von vorhandenen Überwachungsgeräten beobachtet zu werden, ist gerechtfertigt, wenn sie aufgrund spezifischer Umstände als nachvollziehbar und verständlich erscheint, so das Gericht. In solchen Situationen kann das Persönlichkeitsrecht der (vermeintlich) überwachten Person bereits durch die Verdachtssituation selbst beeinträchtigt sein.
Bedeutung der Entscheidung für die Praxis
Vermieter sollten bei der Installation von Videokameras auf einem Privatgrundstück sicherstellen, dass weder der angrenzende öffentliche Bereich noch benachbarte Privatgrundstücke oder der gemeinsame Zugang zu diesen von den Kameras erfasst werden, sofern nicht ein das Persönlichkeitsrecht der Betroffenen überwiegendes Interesse des Betreibers der Anlage im Rahmen der Abwägung bejaht werden kann.